Die Fackel, Vol. 10

Excerpt from Die Fackel, Vol. 10: 14. April 1908Bildung seine Urteile zu beziehen, hat sich ausnahms weise auf ein Gebiet begeben, auf dem nur den Eingeweihten eine Meinung zusteht. Die Schützer der Bildung durfte es empören, daß über einen Weltweisen, an dem man mit dem Hut in der Hand eine respektable Abschwächung der Gehirn tätigkeit feststellen muß, ein vulgäres Kraftwort ge braucht wurde. Als vor ein paar Jahren Tolstoi seine Enthüllungen über Shakespeare erscheinen ließ, durch die es auch dem letzten Zwei¿er offenbar wurde, daß Shakespeare ein alter Tepp sei, hätte kein gebil deter Europäer es gewagt, die Ehrfurcht vor Tolstoi durch ein rohes Wort zu verletzen. Keiner hätte sich dazu hergegeben, einen schon an der Schwelle der Un sterblichkeit stehenden Alten, der der Welt noch das Evangelium von der Nichtigkeit Shakespeares und anderer irdischen Genies brachte, auf den Mund zu schlagen. Ich selbst habe damals den Verdacht unterdrückt, daß ein alter Tepp das Wort ergriffen habe, den das Urchristentum allem Erfassen fremder künstlerischer Welten wie auch längst der eigenen Künst lerschaft entrückt hat. Ich war so zurückhaltend, ihn bloß einen alten Schwätzer zu nennen. Aber ich bin mir jetzt dessen bewußt, wie frivol auch diese Wertung eines urchristlichen Schänders meines shakespeare-heiligtums war, und aus Furcht, eine Ungerechtigkeit zu begehen, würde ich mir's heute dreimal überlegen, ehe ich ein Bekenntnis des Grafen Tolstoi ausschließlich von der pathologischen Seite nähme. Die Behauptung, daß er ein alter Tepp sei, ist nicht nur eine herzlose Ungebühr gegenüber einem Alten, nicht nur eine Dreistigkeit egenüber einem Weltweisen, sie könnte auch eine nbilligkeit gegen über einem alten Weltweisen sein, von dem man jadoch nicht wissen kann und den noch keiner darauf unter sucht hat, ob er nicht am Ende ein alter Mogler ist. Einer, der sich zu gern den tribus magnis impostoribus: gesehen möchte, ohne an ihre Suggestivkraft heranweisung hineinfährt, Gras zu fressen und Shakespeare fir einen Kretin zu halten, müßte wirklich schon ein ausgesuchtes Pech haben, um nicht als Heili er verehrt zu werden. Wer aber der Armee seines Lan es keine schöneren Siege wünscht als die Niederlagen, da dem Mutigen zwar die Welt, aber dem Feigen das Himmelreich gehört, und wer sich dazu im Büßer swand unter tennisspielenden Enkeln photo phieren.About the PublisherForgotten Books publishes hundreds of thousands of rare and classic books. Find more at www.forgottenbooks.comThis book is a reproduction of an important historical work. Forgotten Books uses state-of-the-art technology to digitally reconstruct the work, preserving the original format whilst repairing imperfections present in the aged copy. In rare cases, an imperfection in the original, such as a blemish or missing page, may be replicated in our edition. We do, however, repair the vast majority of imperfections successfully, any imperfections that remain are intentionally left to preserve the state of such historical works.

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Artikelnummer 9781391260853
Produkttyp Buch
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Einband Fester Einband
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Autor Kraus, Karl
Verlag Forgotten Books
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Erscheinungsjahr 2018
Seitenangabe 746
Sprache ger
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