Jahrbücher für Philologie und Paedagogik, 1889, Vol. 35

Excerpt from Jahrbücher für Philologie und Paedagogik, 1889, Vol. 35: Zweiter AbteilungWaren die Römer ein durchaus praktisch geartetes volk so ist der stil Ciceros von ihnen sicherlich nur deshalb gebilligt worden, weil der Südländer seiner natur nach mehr als wir rhetorisch ver anlagt ist und in der formellen abrundung des periodenbaus etwas seinem ganzen wesen entsprechendes erblickte. Wir kinder des 19n jahrhunderts sind aber realistischer, wir verlangen gedanken und form in richtigem verhältnis. Nach meinem ermessen hat der schüler für seine entwicklung keinen zoll fortschritte gemacht, wenn er eine halbe seite echt Ciceronianisch schreibt, während sich der gedanken gehalt in eine zeile zusammendrängen läszt. Zu dieser meinung wer den alle kommen, die sich reiche erfahrungen im deutschen unterricht erworben haben. Wer dort stets das logische denken zu schulen ge sucht, stets darauf bedacht gewesen, dasz sich inhalt und form decke, der wird sich nie verständigen konnen mit denen, die nur im Cicero gelebt und deshalb vielleicht die form als endziel des lateinischen unterrichts betrachten. Von diesem gesichtspunkt ausgehend war ich nicht selten in der lage, die nichts und alles sagenden randglossen nihil dixisti, inanes fudisti sonos zu machen, also formgeklingel ohne reale unterlage. Soll man sich dann wundern, wenn von vielen seiten gegen den lateinischen aufsatz geeifert wird? Mögen diese angride auch oft von leuten gemacht werden, denen ein competentes urteil keineswegs zukommt, ganz ungerechtfertigt sind sie nicht, da die auf diesen gegenstand verwandte muhe und zeit in keinem entsprechen den verhältnis zu den erfolgen steht. Was ich für meine person stets vom lateinischen aufsatz fordern werde und ich hin classischer philologe mit leib und seele ist dies, dasz der schüler lerne, seine logisch wohl geordneten gedanken in einer einfachen, gut lateini schen form zur darstellung zu bringen. Die schulung des verstandes musz die hauptsache des gymnasiums bleiben. Das leere wortgeklingel verfiiegt, das geschulte denken bringt seine früchte in allen spätern lebenslagen. Aus diesem grande bin ich der letzte, der einen schüler für einen gescheiten kopf ansieht, wenn er in gewandtem Cicero nianischen stil den abiturientenaufsatz schreibt. Viel höher steht mir der, welcher das thema streng logisch durchfuhrt und zur dar stellung des gedankengehalts eine form gebraucht, die im ganzen grammatisch richtig, klar und durchsichtig, frei von germanismen ist, wodurch er eben beweist, dasz er sich mit den grundgesetzen der lateinischen sprache genügend vertraut gemacht. Von einer rheto risch angehauchten, schillernden form werde ich mich nie blenden lassen.About the PublisherForgotten Books publishes hundreds of thousands of rare and classic books. Find more at www.forgottenbooks.comThis book is a reproduction of an important historical work. Forgotten Books uses state-of-the-art technology to digitally reconstruct the work, preserving the original format whilst repairing imperfections present in the aged copy. In rare cases, an imperfection in the original, such as a blemish or missing page, may be replicated in our edition. We do, however, repair the vast majority of imperfections successfully, any imperfections that remain are intentionally left to preserve the state of such historical works.

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Artikelnummer 9780266444503
Produkttyp Buch
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Einband Fester Einband
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Autor Masius, Hermann
Verlag Forgotten Books
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Erscheinungsjahr 2017
Seitenangabe 630
Sprache ger
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