Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens

Reinholds «Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens» von 1789 gehört zu den zentralen Werken einer problemorientierten Neudarstellung und Fortentwicklung von Kants theoretischer und praktischer Vernunftkritik. Die vorliegende Neuausgabe präsentiert den auf Fehler durchgesehenen Originaltext mit Varianten und einem Paralleltext zum 2. Buch. In einem ausführlichen Kommentar wird auf das Verhältnis zu den kantischen Vorgaben und auf weitere relevante Kontexte eingegangen. Der Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, im Revolutionsjahr 1789 erschienen, zählt zu den Hauptbeiträgen von Reinholds Bemühen, Kants vernunftkritische Ergebnisse zu einem System der Elementarphilosophie fortzuentwickeln. Zwar liegt mit diesem Werk die grundsatzphilosophische Fundierung dieses Systems noch in einer verhältnismäßig unreflektierten Gestalt vor. Dafür enthält es eine erste, prototypische Gesamtdarstellung zum geplanten Systemgebäude, zu der sich in späteren elementarphilosophischen Darstellungen nur noch Bruchstücke finden. Nach einer Vorrede, die von den Schicksalen im Gange der frühesten Rezeption der kantischen Philosophie handelt, und dem 1. Buch, in dem hauptsächlich das in den Briefen über die Kantische Philosophie vorbereitete Thema erster Grundsätze in den Bereichen von Religion, Moral und Naturrecht weiter erörtert wird, unterbreitet Reinhold mit dem 2. und 3. Buch die Resultate zu seinem neuartigen kantischen System. Dieses beruht im fundamentalen Teil auf einer «Theorie des Vorstellungsvermögens überhaupt», in welcher die für alle Systemteile gültige Triadik von Vorstellung, Subjekt und Objekt sowie die für das Vorstellen eines Gegen- standes konstitutiven Verhältnisse von Form und Stoff, Einheit und Mannigfaltigkeit sowie Spontaneität und Rezeptivität entfaltet werden. Darauf folgt eine in die Bereiche der Sinnlichkeit, des Verstandes und der Vernunft untergliederte «Theorie des Erkenntnißvermögens überhaupt». Dieser eng an die Kritik der reinen Vernunft anschließende Theorieteil besticht durch ausführliche Herleitungen zu den Tafeln der Urteilsfunktionen, Kategorien und Schemata sowie zum System der transzendentalen Ideen. Zu seinen Besonderheiten gehören zudem die Erweiterung von Kants Urteilsauffassung aus dem Leitfaden-Kapitel zu einem dreistufigen Erkenntnismodell sowie die Fortbildung von Kants Ansatz der Selbstaffektion zu einem auf den Begriff des Selbstbewusstseins fokussierten Theoriestück eines «Bewußtseyns überhaupt». Das 3. Buch endet mit «Grundlinien der Theorie des Begehrungsvermögens», die andeuten, dass Reinhold sein auf den Begriffen der Vorstellung bzw. des Bewusstseins aufgebautes System als theoretisch und praktisch zugleich konzipiert. Reinhold operiert in diesem letzten Abschnitt unter anderem mit der - auf Friedrich Schillers ästhetische Reflexionen vorausdeutenden - Unterscheidung von Form- und Stofftrieb. Zudem wird darin die in den Briefen über die Kantischen Philosophie von 1792 präsentierte Theorie der Willensfreiheit vorbereitet. Mit der Neuedition wird der auf Fehler durchgesehene Originaltext mit Varianten und einem Paralleltext zum 2. Buch vorgelegt. Der Band enthält eine Einleitung zu Entstehung, Hauptinhalten und Wirkung des Werks sowie einen umfangreichen Kommentar, in welchem das hauptsächliche Augenmerk auf Übereinstimmungen und Differenzen mit den Texten Kants gerichtet wird. Erläutert werden zudem zeitgenössische Diskussionskontexte und systematische Hintergründe.

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